Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Wegner, sehr geehrter Herr Senator Evers, sehr geehrter Herr Senator Chialo,
mit diesem Schreiben möchten wir uns dem Offenen Brief des Bühnenvereins Landesverband Berlin vom 25. September 2024 anlässlich der Haushaltsnotlage des Landes Berlin und der zu erwartenden Einsparungen für den Kulturetat anschließen:
Als Verband und Interessenvertretung von rund 90 Berliner Museen, Gedenkstätten und Ausstellungshäusern möchten wir Sie auffordern, bei den anstehenden Beratungen zur Konsolidierung des Gesamtlandeshaushalts den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellenwert der Kultur für die Stadt Berlin in den Fokus zu stellen. Bitte berücksichtigen Sie, dass der Kulturetat der kleinste Ressortetat der Stadt ist. Das zu erwartende Einsparvolumen ist gering, während wir immense, irreparable Schäden fürchten.
Wir bitten Sie dringend, bei Ihren Entscheidungen die Verhältnismäßigkeit sowie Kosten und Nutzen von Kürzungen genau abzuwägen und so minimal wie möglich zu halten. Dabei ist uns die schwierige Haushaltslage und die Notwendigkeit von Einsparungen bewusst. Wir erklären uns in diesem Sinne ausdrücklich solidarisch mit den anderen Bereichen der Kultur wie auch der weiteren öffentlichen Infrastruktur, wie z.B. dem Bildungs- oder Sozialbereich.
Ergänzend zu den im Offenen Brief des Bühnenvereins genannten Punkten würden Einsparungen im befürchteten Ausmaß mit Blick auf Museen, Gedenkstätten und Ausstellungshäuser in Berlin u.a. Folgendes bedeuten:
- Verarmung des kulturellen Angebots – negative Auswirkungen auf die Wirtschaft
Allein 2022 gab es nach der aktuellen Studie des Instituts für Museumsforschung 14,2 Millionen Besuche in Berliner Museen, mit steigender Tendenz bei weiterer Erholung von der Corona-Krise. Museen würden künftig nur noch ein deutlich reduziertes Angebot an Ausstellungen und Programmen realisieren können und es drohen Schließungen. Die Vielfalt der Berliner Museumslandschaft würde leiden, mit starken Auswirkungen auf das Image Berlins, den Tourismus und die verbundenen Wirtschaftszweige.
- Einschränkung der kulturellen wie politisch-historischen Bildungsarbeit
Gerade in Zeiten, in denen die Demokratie unter Druck steht, sind Angebote der kulturellen und politisch-historischen Bildung, wie sie insbesondere auch von den Gedenkstätten geleistet werden, von großer Bedeutung. Unter anderem werden rassismus- und antisemitismuskritische Bildungsprogramme bedroht; ebenso wie der Museumssonntag, der durch seinen freien Eintritt und die damit verbundenen Bildungsangebote niedrigschwellige Zugänge bietet.
- Verschenktes Vertrauenspotential in krisenhaften Zeiten
Die gesellschaftliche Lage ist aktuell angespannt und polarisiert. Museen genießen nach einer aktuellen Studie des Instituts für Museumsforschung großes Vertrauen in der Bevölkerung. Das stärkt die Glaubwürdigkeit ihrer Angebote, die zum gesellschaftlichen Zusammenhalt beitragen. Werden Museen durch fehlende Mittel in ihrer Handlungsfähigkeit stark eingeschränkt, droht dieses Potential ungenutzt zu bleiben.
- Schwächung der internationalen Sichtbarkeit und Kooperationen
Berliner Museen spielen eine zentrale Rolle im internationalen Austausch. Nicht nur die Attraktivität Berlins als Kulturmetropole ist gefährdet, sondern auch die Möglichkeit für internationale Kooperationen und Forschungen.
- Gefährdung des kulturellen Erbes
Fehlende Mittel für Restaurierung und Konservierung setzen die Erhaltung wertvoller Kulturgüter aufs Spiel. Museale Einrichtungen wären nicht mehr in der Lage, ihre zentrale Aufgabe – die Pflege und Erhaltung von Sammlungen – ausreichend zu erfüllen. Zudem sind viele Museen in historischen Gebäuden untergebracht, deren Instandhaltung sie nicht mehr sichern könnten. Bedeutende denkmalgeschützte Bausubstanz gefährdet.
- Rückschritt beim Fortschritt – Nachhaltigkeit, Diversität, Digitalität
Zu erwarten sind drastische Rückschritte im Bereich wichtiger gesellschaftlicher Zukunftsaufgaben wie Nachhaltigkeit, Diversität inkl. Barrierefreiheit sowie Digitalität. Getätigte Anfangsinvestitionen drohen verloren zu gehen, während dringend notwendige Strukturveränderungen nicht weitergeführt werden können. Aktuell zeigt sich dies z.B. im Bereich der digitalen Transformation an den großen Problemen, vor denen viele Einrichtungen wegen der ausbleibenden Verstetigung der Stellen der Resilienz-Dispatcher*innen stehen.
- Fachkräfteabwanderung – Brain drain
Einsparungen führen unweigerlich auch zu Stellenkürzungen und personellen Mehrbelastungen. Hochqualifizierte Fachkräfte aus allen musealen Arbeitsbereichen könnten die Berliner Museen, aber auch die Stadt verlassen und würden langfristig nicht mehr zur Verfügung stehen.
Für unbedingt notwendig erachten wir eine nachhaltige, ganzheitliche und unter konsequenter Einbeziehung von Kulturakteur*innen und ihren Interessenvertretungen erarbeitete Strategie zur Umsetzung von Sparmaßnahmen. Transparenz und größtmögliche Planbarkeit sind dabei essentiell.
Sämtliche Kulturakteur*innen werden sehr viel Einsatz zeigen müssen, um ihre Arbeit unter den zu erwartenden Bedingungen fortzuführen. Geprüft werden sollte, welche Entlastungen im Verwaltungsbereich geschaffen werden können.
Ihr Angebot zum Dialog möchten wir hiermit gerne annehmen und um einen Gesprächstermin bitten.
Mit herzlichen Grüßen, im Auftrag des Vorstandes,
Prof. Dr. Patricia Rahemipour und Paul Spies, Vorsitzende des Berliner Museumsverbandes